Collage - Köpi Räumung

Wagenplatz Køpi: 3500 Beamtis, 32 Bewohnis

LETZTE ÄNDERUNG am Samstag 1. Januar 2022 15:22 durch BV LuiseNord


In diesem u. g. Originalartikel aus der „ecke No 5 November Dezember 2021“ lesen Sie Begriffe wie „Beamtis“, „Bewohnis“und „Besitzis“ – die Redaktion der ecke fährt damit in ihrer Publikation ein „Gender-Experiment“ – und freut sich dazu über Ihre Meinung!
Mehr über dieser Aktion und der u.a. Artikel ist hier in der PDF-Ausgabe der ecke zu lesen.


Wir fahren fort mit dem  Original-Wortlaut des Artikel aus der „ecke No 5 November Dezember 2021“:

„Am 15. Oktober 2021 wurde der Wagenplatz Køpi unter einem enormen Polizeiaufgebot geräumt.

Spätestens ab dem 14. Oktober, dem Tag vor der angekündigten Räumung des Wagenplatzes Køpi, dürften sich die Bewohnis des Melchiorblocks und angrenzender Straßenzüge wie im Krisengebiet gefühlt haben. Systematisch wurden die Straßenzüge rund um das autonome Zentrum abgeriegelt, nur Anwohnis durften noch passieren, selbst der Weg entlang des Spreeufers war gesperrt.

Am Tag der Räumung füllte sich allein die Melchiorstraße mit zahllosen Mannschaftswagen, Räumfahrzeugen und weiterem schweren Gerät. Im Zeitraum vom 14. bis 16. Oktober waren wegen der Räumung insgesamt 3500 Polizeibeamtis „rund um die Uhr im Wechsel“ im Einsatz. Zur Verstärkung der Berliner Polizei wurden Einsatzkräfte aus acht weiteren Bundesländern – Brandenburg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Bremen – sowie Bundespolizei zusammengezogen.

Ab ca. 10.30 Uhr wurde dann am Freitag, dem 15. Oktober 2021 geräumt: mit mehreren Anläufen unter Einsatz von Räumpanzern, Hebebühnen und anderem schweren Gerät und unter der Gegenwehr der Personen auf dem Areal.

Köpi-Räumung: Beamtis im Einsatz (Fotos: Ch. Eckelt in der ecke)
Köpi-Räumung: Beamtis im Einsatz (Fotos: Ch. Eckelt; Screenshot aus der ecke No 5 2021)

Zum Zeitpunkt der Räumung lebten noch 32 Menschen auf dem Wagenplatz. Das Gelände an der Köpenicker Straße 133 bis 138 war im Februar 1990 besetzt worden. Hierzu zählten der Wagenplatz sowie das Hinterhaus der Köpenicker Straße 137. 1991 erhielten die Hausbewohnis Mietverträge. Nach diversen Verkäufen konnten sie im Jahr 2008 einen Mietvertrag über 30 Jahre für das Haus aushandeln, demzufolge blieb es von der Räumung verschont.

Zwangsvollstreckt wurde am 15. Oktober ein Räumungstitel, den der Eigentümer des Grundstücks vor Gericht erwirkt hatte, mit Verweis auf eine Baugenehmigung aus dem Jahr 2015. Diese wäre nur noch bis zum November dieses Jahres gültig gewesen und erloschen, wenn nicht bis dahin sofort und unverzüglich mit „bauvorbereitenden Maßnahmen“ begonnen würde.

Ein Eilantrag der Køpi gegen die Zwangsräumung war vom Gericht abgelehnt worden. Zuvor hatten sich sowohl das Bezirksamt Mitte als auch mehrheitlich die BVV Mitte für den Erhalt der Wagenburg ausgesprochen. Und bis zuletzt gab es Versuche, die verzwickte Lage doch noch anders zu lösen und die Räumung abzuwenden.

Laut Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hatte der Eigentümer das 2600 Quadratmeter große Grundstück über Makler zum Verkauf angeboten und sich in Verhandlungen auch bereit gezeigt, es an eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen. Kaufpreis, Kaufvertrag und Notartermin hätten bereits festgestanden.

„Dann ließ der Eigentümer die Verhandlungen platzen“, hieß es in einer Mitteilung der Linken vom 14. Oktober. Ohnehin deutet vieles darauf hin, dass auf dem nun hermetisch abgeriegelten Grundstück so bald nichts gebaut werden wird. Dafür deutet manches daraufhin, dass hier mit Amtshilfe lediglich mehr „Beinfreiheit“ für Grundstücksspekulation geschaffen wurde.

Nachverfolgen lässt sich, dass die Køpi seit einer Versteigerung 2007 zum undurchschaubaren Firmengeflecht der Sanus AG des Immobilienunternehmers Siegfried Nehls gehört. Seitdem wechselten die Besitzis mehrfach, waren aber immer Teil des Sanus-Geflechts.

Seit 2013 tritt die Briefkastenfirma „Startezia GmbH“ als Eigentümerin auf, so auch im Prozess im Juni dieses Jahres. Auch sie gehört zum Sanus-Firmennetz. Siegfried Nehls ist dabei kein Unbekannter, auch mit der Justiz hatte er des Öfteren zu tun: 2007 etwa war gegen ihn ermittelt worden, 2015 stand er wegen Missbrauchs von Titeln und Urkundenfälschung vor Gericht, und in Zossen ist man spätestens seit 2019 nicht gut auf Nehls zu sprechen, weil die Stadt einigen Sanus-Firmen vorwirft, Gewerbesteuern in Millionenhöhe nicht gezahlt zu haben.

Die zahlreichen dubiosen Ungereimtheiten rund um die Sanus AG und Siegfried Nehls wurden auch auf der Website zur Køpi ausführlich dokumentiert. Natürlich lässt sich ein beräumtes Grundstück besser verkaufen als ein besetztes.

Insofern darf man wirklich gespannt sein, was sich in der nächsten Zeit auf dem Areal tun wird – oder eben auch nicht. Möglicherweise wird sich der Innensenator dann einige unangenehme Fragen gefallen lassen müssen zu diesem millionenschweren Einsatz.“


Quelle: Bezirkszeitung für das Sanierungsgebiet Nördliche Luisenstadt „ecke köpenicker No 5 November Dezember 2021“; Text: us; Fotos: Ch. Eckelt

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