LETZTE ÄNDERUNG am Donnerstag 4. Dezember 2025 18:01 durch BV LuiseNord
Ist Fintech Kreativwirtschaft?
Serie: Städtebauliche Verträge im Sanierungsgebiet (Teil 5):
Die „Eiswerke“ in der Köpenicker Straße 40 /41.
Gewisse Grenzen der Steuerungsmöglichkeit durch städtebauliche Verträge verdeutlichen die Erfahrungen mit der Entwicklung eines Teils des Grundstücks Köpenicker Straße 40 und 41, den sogenannten Eiswerken.
Vorn an der Köpenicker Straße wurde zwischen 2018 und 2022 das teilweise kriegszerstörte Vorderhaus denkmalgerecht saniert und um einen modernen Wohnungsneubau ergänzt. Dort befinden sich jetzt 25 Alt und 30 Neubau-Wohnungen. Im Erdgeschoss hat ein »Community Space« für die Nachbarschaft eröffnet.
All das ist nicht umstritten – wohl aber die Nutzung eines alten Kühlhauses und des sogenannten »River House« auf dem hinteren Grundstücksteil zur Spree hin, einem Neubau für gewerbliche Nutzung samt Tiefgarage nach einem Entwurf des renommierten Architekturbüros GRAFT.
Denn im städtebaulichen Vertrag, der im Februar 2019 abgeschlossen wurde, ist dafür eine »kreativwirtschaftliche« beziehungsweise im Erdgeschoss gar eine »kulturelle« Nutzung vereinbart.

Allerdings wurde nicht näher definiert, was eine »kulturwirtschaftliche« Nutzung denn genau sein soll. Angesiedelt hatten sich hier zum Beispiel ein Unternehmen aus der Fintech-Branche und ein Softwareentwickler.
FinTech-Betriebe, die Online-Investment-Banking betreiben, sind in einer Branche aktiv, die man nicht zwangsläufig unter »Kreativwirtschaft« einordnet.

Andererseits benötigt man gewisse kreative Fähigkeiten, wenn man dieses Geschäft mit Erfolg betreiben will. Der Software-Entwickler wiederum wirbt auf seiner Website mit den Logos von VW, Mercedes Benz, BMW und dem Rüstungskonzern Rheinmetall sowie dem Zauberwort »AI« (für »Artifical Intelligence«).
Manche halten die Künstliche Intelligenz zwar für den Totengräber der Kreativwirtschaft, aber auch KI benötigt zu ihrer Entwicklung zweifellos zunächst einmal kreative Kompetenzen und kann zu kreativen Zwecken genutzt werden.
Die Betroffenenvertretung Nördliche Luisenstadt
kritisierte diese Nutzungen
Die Betroffenenvertretung Nördliche Luisenstadt kritisierte diese Nutzungen, hatte sie sich doch eher kleine kreative Unternehmen, etwa aus dem Designbereich, oder Ateliers vorgestellt – doch zum einen war dies ja nirgendwo festgeschrieben, zum anderen hätten Mieterinnen und Mieter, wie sie der Betroffenenvertretung vorschwebten, wohl kaum die Mieten in dem Neubau zahlen können.
Der Begriff »Kreativwirtschaft« jedenfalls ist dehnbar und kaum genau definierbar. Er wird zwar gerne von der Politik benutzt, wenn sie besonders wachstumsstarke und innovative Branchen herausstellen will. Andererseits wird er damit auch schnell zu einem Synonym für Zahlungskraft und taugt deshalb nicht dazu, bauliche Investitionen in eine gewisse Richtung zu lenken.
Unterm Strich bewertet
Unterm Strich muss man trotzdem die Entwicklung des Grundstücks der Eisfabrik in der Köpenicker Straße 40–41 als erfolgreich bewerten.
Die war, von Carl Bolle 1872 gegründet, Anfang des 20. Jahrhunderts die größte und modernste Fabrik in Deutschland zur industriellen Herstellung von Eis und Kälte.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Eisproduktion bis in die 1960er Jahre fortgesetzt, in den Kühlhäusern wurden noch bis 1995 Lebensmittel gelagert.
Das Technik und Baudenkmal erlitt durch einen jahrzehntelangen Leerstand nach der Wende aber große Bauschäden und wurde in dieser Phase weitgehend von allem, was irgendwie als Altmetall verwertbar war, geplündert. Später richteten sich Wohnungslose in den alten Fabrikhallen notdürftig ein.
Als in den frühen 2010er Jahren das Sanierungsgebiet eingerichtet wurde, galt jedenfalls die Eisfabrik als einer der problematischsten Orte der ganzen Stadt, in der sich soziale Verelendung in höchst problematischen Zuständen verdichtet hatte.
Die „Alte Eisfabrik“
Der historisch wertvollste Teil der alten Fabrik, das ehemalige Kessel und Maschinenhaus, fiel in der Zwischenzeit an einen anderen Eigentümer, der es unabhängig vom Eiswerk zur »Alten Eisfabrik« weiterentwickelte.
Hier entstand eine »Denkfabrik« für Forschungen und Entwicklungen im medizintechnischen Bereich.
Eine rechtlich gesicherte öffentliche Zufahrt zu diesem Grundstück ist heute Bestandteil des Städtebaulichen Vertrages, genauso wie die Durchwegung zum künftigen öffentlichen Spreeuferweg.
Der Neubau auf dem hinteren Grundstücksteil der Köpenicker 40/41, das »Riverhaus«, hatte nach dem Auszug einer Fintech-Firma zunächst mit Leerstand zu kämpfen. Seit diesem Jahr ziehen jedoch wieder erste Neumieter in das Gebäude.
Quelle: cs in der ecke köpenicker No 5 November Dezember 2025

Foto oben: Die „Alte Eisfabrik“ im Januar 2023 – (Archiv BV)

ecke köpenicker No 5 November Dezember – Lesen/Herunterladen
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