LETZTE ÄNDERUNG am Montag 2. Juni 2025 18:08 durch BV LuiseNord
Am 9. Mai 2025 um 9 Uhr wurden vor der Köpenicker Straße 48 Stolpersteine für ein Ehepaar verlegt, das Widerstand gegen die Nazis leistete.
Schon seit 1992 werden auf Deutschlands Bürgersteigen Stolpersteine verlegt. Trotzdem muss niemand Angst haben hinzufallen, denn auch wenn die Stolpersteine Betonwürfel mit Messingdecken sind, werden sie ungefährlich in die Bürgersteige versenkt.
Stolpern soll man mit den Augen und dem Herzen, denn jeder Stolperstein erinnert an ein Opfer der Nazis. Wie kleine quadratische Gedenktafeln liegen die Steine vor den letzten selbstgewählten Wohnorten von NS-Opfern.
Während diese in Konzentrations- und Vernichtungslagern als Nummern geführt und ermordet wurden, stehen auf den Stolpersteinen ihre Namen und Lebensdaten in einem Schriftgrad, der bewirkt, dass man sich unwillkürlich etwas vorbeugt, um sie zu lesen. So verbeugt man sich automatisch vor den Opfern.

Die Idee stammt von dem Künstler Gunter Demnig, der 1947 in Berlin geboren ist und bis heute jeden einzelnen dieser Steine selbst verlegt. Das ist kaum zu glauben, denn allein in Deutschland liegen diese Stolpersteine in mehr als 1200 Kommunen. Sie sind das größte dezentrale Mahnmal der Welt mit über 100.000 Steinen in über 30 Staaten Europas.
Anfangs verlegte Demnig die Stolpersteine ohne behördliche Genehmigung, so 1996 in der Luisenstadt: Anlässlich einer Ausstellung in der Oranienstraße wurden dort nicht weniger als 51 Steine eingelassen.
Erst seit 2000 sind die Verlegungen in Berlin mit dem Straßenbauamt abgestimmt und also offiziell. Die Steine werden von Michael Friedrichs-Friedlaender mit zwei Mitarbeitern in seiner Werkstatt in Berlin-Buch hergestellt. Dabei werden die Texte in jeden einzelnen Stein mit Werkzeugen eingeprägt. Die Gedenksteine werden ganz bewusst in Handarbeit hergestellt und stehen so im Gegensatz zum industriellen Morden der Nazis.
Wer eine Verlegung miterleben wollte, hatte am 9. Mai um 9 Uhr morgens dazu in der Köpenicker Straße 48 Gelegenheit.
(hier Adresse bei Google Maps schauen).
Peter Schwoch vom Bürgerverein Luisenstadt präsentierte dort seine Recherchen zu Lotte und Erich Garske, einem antifaschistischen Ehepaar, das in der Köpenicker Straße 48 lebte und dem die Stolpersteine gewidmet sind. Sie wurden von Trockland, dem Projektentwickler der »Eiswerke«, in Auftrag gegeben.
Peter Schwoch ist der produktivste Dokumentarist der Köpenicker Straße, auf seiner Homepage www.Köpenicker-Strasse.de kann man zu fast jedem Haus von Nr. 1 (Restauration Stresemann) bis Nr. 195 (Schirmer, Blau und Co) eine solche Fülle von historischen Dokumenten finden, dass sie eine Fundgrube für professionelle und Hobby-Historiker ist.
Charlotte Garske wurde 1906 in einer Berliner Arbeiterfamilie geboren und war Kontoristin, Erich Garske, Jahrgang 1907, war Laufbursche, Hilfsarbeiter und schließlich technischer Zeichner.
Im Arbeitersportverein Fichte (dessen Geschäftsstelle befand sich in der Köpenicker Straße 108) lernten Charlotte und Erich sich kennen und heirateten 1930, im selben Jahr, in dem sie auch in die KPD eintraten. Sie liebten es, auf einem Campingplatz in Storkow zu zelten, wanderten und trieben Sport mit Freunden.
Im antifaschistischen Widerstand halfen sie Illegalen, indem sie ihnen Unterschlupf boten. Einer von ihnen war Eugen Schwebinghaus, den sie über zwei Jahre lang versteckten, ehe er zu den Interbrigaden nach Spanien ging. 1942 nahmen sie Wilhelm Knöchel auf, der unter dem Decknamen Paul für die KPD den landesweiten Widerstand leitete und Verbindungen ins Ausland hielt.
Charlotte war Kontoristin einer Fabrik für Vervielfältigungsmaschinen und konnte eine davon als Wurstmaschine deklariert an einen »Wehrwirtschaftsbetrieb« verschicken.
In Wirklichkeit fuhr ihr Sohn die Maschine in zehn Paketen mit einem Handkarren vom Schlesischen Bahnhof nach Johannisthal. So konnten sie bei der Herstellung und dem Vertrieb der illegalen Zeitungen »Neuköllner Sturmfahne«, »Ruhrecho«, »Freiheit« sowie »Der Friedenskämpfer« helfen. Für viele davon entwarf Erich die Titelseiten und Zeichnungen.
Am 30. Januar 1943 gegen 22 Uhr stürmten acht Gestapo-Männer die Wohnung der Garskes im Seitenflügel. Erich, Sohn Gerd und »Paul« wurden verhaftet.
Charlotte täuschte einen Nervenzusammenbruch vor, wurde ins Krankenhaus eingeliefert, aber dann ebenfalls ins Gefängnis gebracht.
Das Ehepaar Garske wurde am 9. November 1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Erich wurde am 13. Dezember im Zuchthaus Brandenburg enthauptet, Lotte am 16. Dezember in Plötzensee.
Quelle: Falko Hennig in der ecke köpenicker No 2 Mai Juni 2025
Foto: Archiv Schwoch

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