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„Die schönste Straße auf der Luisenstadt ist unstreitig die Cöpnicker, die von der Neuen Jacobstraße an über das Feld, mit der Spree gleichlaufend, bis an das Schlesische Thor führt, ursprünglich die Heerstraße nach Cöpnick war und daher noch heute ihren Namen hat“, so schrieb J. F. Bachmann 1838 in seinem Buch „Die Luisenstadt“.
Bereits 1589 ließ Kurfürst Johann Georg diese Straße zu seinem neugebauten Jagdschloß in Köpenick anlegen. Die häufigen Überschwemmungen durch die Spree verhinderten lange eine Bebauung.
Vorwiegend Holzplätze erstreckten sich zur Spree, Gärtnereien befanden sich auf der anderen Straßenseite. Erst nach 1850 erfolgte eine durchgängige Bebauung. Die Bomben des Zweiten Weltkrieges und der Bau der Mauer schlugen tiefe Wunden.
Als der „Neue Damm“ vor 400 Jahren angelegt wurde, diente er nicht nur den Kurfürsten als Weg zum Köpenicker Jagdschloß, auch Kaufleute und Soldaten brauchten die Straße.
Auch Fontane war da
Sogar literarisch wurde sie gewürdigt: Theodor Fontane, der die Luisenstadt gut kannte, läßt in seinem Roman „Frau Jenny Treibel“ den jungen Sohn des Hauses „von der elterlichen Wohnung aus die zu so früher Stunde noch wenig belebte Köpenicker Straße hinunter (reiten), erst an seines Bruders Villa, dann an der alten Pionierkaserne vorüber“.
Damals war sie eine Straße, in der vorzugsweise wohlhabende Bürger, Fabrikanten und Handwerker wohnten. Zwischen Spree und Straße lagen Holzmärkte: der königliche, der Magistrats- und der Stabholzmarkt.
Und es war sehr grün
Auf der anderen Straßenseite befanden sich Gärtnereien. Die bekannteste war sicherlich die Späth’sche, die bis 1890 in der Köpenicker Straße existierte, ehe sie wegen Platzmangels nach Baumschulenweg verlegt wurde.
Reiche Bürger der Stadt besaßen hier auch prachtvolle Gärten, wie der Textilindustrielle Siegburg, dessen Garten sich von der Köpenicker bis zur Rungestraße erstreckte, oder auf der gegenüberliegenden Seite der Lustgarten des Potsdamer Baudirektors Schulze.

Der prächtigste war jedoch der Itzigsche Garten kurz vor dem Schlesischen Tor, bereits 1761 von dem Bankier Daniel Itzig angelegt. Als der Fiskus 1870 dieses Grundstück erwarb, wurden alle Bäume abgeholzt und eine Kaserne errichtet.
(Siehe auch www.Tagesspiegel.de/../das-palais-itzig-in-berlins-mitte-ein-palast-an-der-spree-weicht-1859-der-borse.)
Und dann kamen die Kasernen
Es war nicht die einzige Kaserne an der Köpenicker Straße. Zwischen Pückler- und Zeughofstraße befanden sich an der Spreeseite das Heeresproviantamt, ein 1864/65 erbauter Körnerspeicher mit Mühle und Brotbäckerei für die Berliner Soldaten, ein 1767 errichtetes „Casernement“ für das von Pfuelsche Regiment, ein 1877 von J. Boumann errichtetes Montierungsmagazin (von dem die gegenüberliegende Straße den Namen Zeughofstraße trägt) und eine Kaserne der Gardepioniere.
Auf der Rückseite des Montierungsmagazins richtete General von Pfuel 1817 eine Militär-Schwimmanstalt ein, die bis 1931 in Betrieb war. Aber auch die gegenüberliegenden Grundstücke waren nicht „ohne“.
Dort, wo heute die Gebäude von DeTeWe (Deutsche Telephonwerke AG) stehen, befand sich die Militär-Telegraphenbau-Schule. Genug des Militärs – nichts davon ist in dieser Straße geblieben.
Dann Gewerbe statt Kasernen und ein Nazi
Heute sieht man vorwiegend Speicher und Gewerbehöfe. Der Viktoria-Speicher der Behala (Berliner Hafen- und Lagerhausbetriebe) hat traurige Berühmtheit erlangt. Hier hatte die Naziführung 1937 bis 1939 ein Sammeldepot für ihre Aktion „entartete Kunst“ eingerichtet. Goebbels notierte in sein Tagebuch: „Nur ganz wenige Grenzfälle. Das andere ist ein derartiger Dreck, daß einem bei einer dreistündigen Besichtigung direkt übel wird.“
Alle diese Werke waren entschädigungslos eingezogen worden. Ein großer Teil wurde ins Ausland verkauft. Als am 20. März 1939 das Depot geräumt wurde, lagerten hier von ursprünglich 17 000 Gemälden, Plastiken und Graphiken noch 1 004 Ölgemälde und 3 825 Aquarelle, Zeichnungen und graphische Blätter. Sie wurden im Hof der Hauptfeuerwache zu Berlin in der Lindenstraße verbrannt.
In Höhe der Schillingbrücke trennte 28 Jahre die Mauer die beiden Teile Berlins. Man sieht es den Gebäuden heute noch an. Beiderseits der damaligen Grenze konnten sich die Investoren nicht für eine stadtgemäße Bebauung entscheiden, weder im Osten noch im Westen.
Es blieb wenig
Das Bild wird vor allem von Lagerplätzen mit Baracken bestimmt. Die wenigen Neubaublöcke entbehren der Geschäfte und Lokale, die erst urbanes Leben ermöglichen. Nur einige Häuser lassen etwas von dem alten Aussehen dieser Straße ahnen, so die Häuser Köpenicker Straße 8-10 oder das 1864 errichtete Wohnhaus der hugenottischen Gärtnerfamilie Richard in der Nr. 153, das heute durch eine Reklame verunziert wird.
Zwei Kilometer lang ist die Köpenicker Straße. Einst standen hier die Villen von Fabrikanten wie die des Kommerzienrates Treibel, der „sich auf seinem Fabrikgrundstück eine modische Villa mit kleinem Vorder- und parkartigem Hintergarten“ baute, wie Fontane in seinem Roman Frau Jenny Treibel schrieb. Heute würde sich kein Fabrikant hier eine Villa bauen lassen.
Krieg und Mauer haben eine der ältesten Straßen der Luisenstadt ins Abseits gedrängt. Es wird Jahre dauern, bis normales Leben sich hier wieder einstellt.
Quelle/Text: Frank Eberhardt
Aus dem Buch „Die Luisenstadt – Geschichte und Geschichten über einen alten Berliner Stadtteil“.
Reprint der Originalausgabe von 1993, erschienen 1995 in der Reihe „Marginalien zur Kultur- und Sozialgeschichte Berlin-Brandenburg“,
Herausgeber: Ernst Goder, Hans-Jürgen Mende, Karl-Heinz Müller, Gerald Nußmann, Kurt Wemicke (Vorstand des Luisenstädtischen Bildungsvereins).
Frank Eberhardt war der erste Vorsitzende des Anfang der 90er Jahre gegründeten Bürgervereins Luisenstadt.
Der Bürgerverein hat das vergriffene „Geschichtenbuch“ (300 Seiten) mit vielen weiteren historischen und 90er-Jahre-Texten sowie vielen beschriebenen Stadtrundgängen im Jahr 2017 wieder aufgelegt und vertreibt es über sein Büro:
Auf dieser Seite gibt es auch eine Leseprobe online.
Und das ist alles drin:

Und das ist die Köpenicker Straße heute
in unserem Blog. Fortlaufend berichtet auch die „ecke Köpenicker“.